Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat entschieden, daß ein zur Durchführung von Baumaßnahmen eingerichtetes Halteverbot nicht dem Schutz der Vermögensin- teressen des Bauunternehmers dient. Es ging um folgenden Fall.
Die Klägerin führte am 6. Dezember 1999 für ein Bauunternehmen Kran- und Schwerlasttransportarbeiten aus. Dazu war wegen der Größe des einzusetzenden Krans die Sperrung der Straße notwendig. Mit Genehmigung der Stadt hatte die Klägerin daher ein Halteverbot mit dem Zusatz „ab 6.12.1999 7.00 Uhr Krananfahrt“ eingerichtet.
Am Morgen dieses Tages parkte die Beklagte mit ihrem PKW im Halteverbot und verhinderte dadurch die Anfahrt des Krans. Die Klägerin macht einen Schaden von 4.765 DM geltend, weil sie den Kraneinsatz wegen des Parkens der Beklagten erst verspätet habe durchführen können.
Amt- und Landgericht wiesen die Klage ab. Die zugelassene Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob die für die Einrichtung des Halteverbots maßgeblichen Vorschriften der §§ 12 Abs. 1 Nr. 6a, 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 oder Abs. 6 StVO auch die Vermögensinteressen des Bauunternehmers oder der von ihm beauftragten Unternehmen schützen. Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen.
Der VI. Zivilsenat hat nun entschieden, daß weder die Straßenverkehrsordnung im Ganzen noch die für die Einrichtung eines Halteverbots an einer Baustelle maßgeblichen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung Schutzvorschriften zugunsten der Vermögensinteressen des Bauunternehmers oder der von ihm beauftragten Unternehmen sind. Die Straßenverkehrsordnung soll als Teil des Straßenverkehrsrechts vor allem die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleisten, um dessen typische Gefahren abzuwehren. Einzelne Vorschriften der Straßenverkehrsordnung können zwar zugleich dem Schutz von Individualinteressen, namentlich der Gesundheit, der körperlichen Unversehrtheit oder des Eigentums, dienen. Bei den hier für die Einrichtung des Halteverbots an der Baustelle maßgeblichen Vorschriften der §§ 12 Abs. 1 Nr. 6a, 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 oder Abs. 6 StVOlasse sich aber weder aus ihrem allgemein gehaltenen Wortlaut noch aus den Gesetzgebungsmaterialien der Zweck entnehmen, zumindest auch die Vermögensinteressen des Bauunternehmers oder der von ihm beauftragten Unternehmen zu schützen.
Im entschiedenen Fall lagen auch die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Eigentums oder des Besitzes der Klägerin an ihrem Kran nicht vor, weil dieser nur wenige Stunden an der konkret geplanten Weiterfahrt gehindert wurde und eine solche vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzung noch nicht als Eigentums- oder Besitzverletzung anzusehen ist.
Die heutige Entscheidung betrifft lediglich zivilrechtliche Schadensersatzansprüche. Das Verbot, an derart gekennzeichneten Stellen zu parken und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen, wie etwa Bußgeld und Abschleppen des Fahrzeugs, zu tragen, bleibt hiervon unberührt.
Urteil vom 18. November 2003 – VI ZR 385/02
Karlsruhe, den 18. November 2003
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs