Kein Anspruch des Leasingnehmers auf einen „Übererlös“

Der unter anderem für das Leasingrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung zu der Frage fortgeführt, wem bei einem Kraftfahrzeug-Leasingvertrag derjenige Teil einer Kasko-Versicherungsleistung zusteht, der den nicht amortisierten Gesamtaufwand einschließlich des kalkulierten Gewinns des Leasinggebers übersteigt.

Dem heute verkündeten Urteil liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin leaste von der Beklagten im Herbst 2002 einen gebrauchten Pkw Porsche. Die Klägerin schloss für das Fahrzeug vereinbarungsgemäß zugunsten der Beklagten eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung ab. Am 9. August 2003 wurde der Wagen bei einem Verkehrsunfall ohne Fremdverschulden stark beschädigt. Gestützt auf ein für diesen Fall vertraglich vorgesehenes außerordentliches Kündigungsrecht kündigte die Beklagte daraufhin den Leasingvertrag zum 30. September 2003. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin neben einer Mietsonderzahlung von 20.000 € Leasingraten in Höhe von insgesamt 11.739,20 € entrichtet. Der Kaskoversicherer erstattete der Beklagten 36.718,32 €. Später erwarb die Klägerin das Fahrzeug zum Restwert von 20.516,38 € von der Beklagten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe unter Berücksichtigung der Versicherungsleistung weitaus mehr erhalten, als ihr bei vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrags als – von der Beklagten abzurechnender – Schadensersatz wegen Nichterfüllung zustehe. Die Beklagte habe insgesamt 88.973,90 € erlöst. Selbst bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung hätte sie nur 68.505,24 € beanspruchen können. Die Klägerin meint, dass ihr der Differenzbetrag von 20.468,66 € zustehe. Sie nimmt die Beklagte auf Endabrechnung des Leasingvertrags und Auskunftserteilung sowie Auszahlung des unter Berücksichtigung der Versicherungsleistung empfangenen Mehrbetrags in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Leasinggeber ist zwar, soweit der Leasingnehmer wie üblich (und auch hier) die Sach- und Preisgefahr trägt, grundsätzlich – auch ohne besondere Vereinbarung – verpflichtet, dem Leasingnehmer die Leistung aus einer von diesem für die Leasingsache abgeschlossenen Versicherung zugute kommen zu lassen und erhaltene Versicherungsleistungen im Falle der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Reparatur oder die Wiederbeschaffung des Fahrzeugs zu verwenden oder sie bei Beendigung und Abwicklung des Leasingverhältnisses auf mögliche Schadensersatz- oder Ausgleichsforderungen anzurechnen, die ihm gegen den Leasingnehmer zustehen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leasinggeber einen danach verbleibenden Betrag an den Leasingnehmer auszukehren hätte. Da die Vollkaskoversicherung ausschließlich das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des Fahrzeugs deckt, steht ein solcher Betrag grundsätzlich alleine dem Leasinggeber als dem Eigentümer des Fahrzeugs zu. Dies gilt jedenfalls bei der hier gegebenen Vertragsgestaltung eines Leasingvertrags mit Andienungsrecht des Leasinggebers und ohne Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers.

Urteil vom 31. Oktober 2007 – VIII ZR 278/05

LG Karlsruhe – Urteil vom 28. Januar 2005 – 15 O 94/04 ./.

OLG Karlsruhe – Urteil vom 11. Oktober 2005 – 8 U 47/05

Karlsruhe, den 31. Oktober 2007

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof zu den Folgen eines Rotlichtverstoßes für die Vollkaskoversicherung

Nach § 61 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Danach erhält er in der Vollkaskoversicherung den Schaden an seinem Fahrzeug nicht ersetzt, wenn er das Rotlicht einer Ampel nicht beachtet hat und sein Verhalten als grob fahrlässig zu bewerten ist. Unter welchen Umständen ein Rotlichtverstoß als grob fahrlässig anzusehen ist, wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beurteilt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in folgendem Fall grobe Fahrlässigkeit verneint (Urteil vom 11. Mai 2001, veröffentlicht in r+s 2001, 313): Der Versicherungsnehmer hatte vor einer Kreuzung auf der linken Geradeausspur als erstes Fahrzeug vor einer roten Ampel angehalten. In einem neben ihm auf der Linksabbiegespur stehenden Fahrzeug erkannte er einen Arbeitskollegen und grüßte ihn. Nachdem er wieder nach vorn geschaut hatte, fuhr er trotz Rotlichts in die Kreuzung ein, weil er aufgrund einer Fehlverarbeitung eines in seinem Blickfeld befindlichen optischen Signals überzeugt war, die Ampel habe für ihn soeben auf Grünlicht umgeschaltet. Bei einem solchen Sachverhalt, so meint das Oberlandesgericht, sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere nach dem Urteil vom 8. Juli 1992 (IV ZR 223/91 – BGHZ 119, 147 = VersR 1992, 1085 = NJW 1992, 2418), zwar grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Dieser Rechtsprechung sei aber nicht zu folgen. Es widerspreche dem Zweck der Kaskoversicherung, von einem objektiv groben Verkehrsverstoß regelhaft und ohne weiteres auf ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten zu schließen. Damit verschiebe der Bundesgerichtshof entgegen der Regelung in § 61 VVG auch die Beweislast zu Ungunsten des Versicherungsnehmers.

Der Bundesgerichtshof hat die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Kaskoversicherers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil ist bei zutreffendem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Urteil vom 8. Juli 1992 läßt sich kein Grundsatz ableiten, nach dem die Mißachtung des roten Ampellichts stets grob fahrlässig ist. Das hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Falles ab. Diese festzustellen und zu bewerten, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. So kann es, wie die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zeigt, an den Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit etwa dann fehlen, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist, oder bei besonders schwierigen, insbesondere überraschend eintretenden Verkehrssituationen. Eine Beurteilung als nicht grob fahrlässig kann auch in Betracht kommen, wenn der Fahrer zunächst bei Rotlicht angehalten und dann in dem irrigen Glauben angefahren ist, die Ampel habe auf Grünlicht umgeschaltet. Es ist allerdings Sache des Versicherungsnehmers, im einzelnen darzulegen, wie es zu dem Verkehrsverstoß gekommen ist, weil nur er und nicht der Versicherer die Umstände kennt. Dieser Darlegungslast ist allerdings nicht schon mit einem bloßen Hinweis auf ein Augenblicksversagen genügt. An der Beweislast des Versicherers auch für die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ändert das nichts.

Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01

Karlsruhe, den 29. Januar 2003

Pressestelle des Bundesgerichtshofs